URSPRUNG
Erbaut wurde Burg Katz im Jahre 1393 von Graf Johann III. von Katzenelnbogen, der, aus der jüngeren Katzenelnbogener (Darmstädter) Linie stammend, durch seine Heirat mit Anna, der Erbtochter Graf Eberhards V. vom Rheinfels, die gesamten Katzenelnbogener Lande in seiner Hand vereinigte und von 1403 bis 1444 herrschte. Er hatte also die Katz bereits zehn Jahre vor seinem Regierungsantritt erbaut, (Siehe Kapitel: “St. Goarshausen unter den Katzenelnbogenern” !)
Der eigentliche Name der Burg, wie wir ihn noch auf alten Stahlstichen finden, war “Neu-Katzenelnbogen”, zum Unterschied von der Burg Alt-Katzenelnbogen über dem nassauischen Ort gleichen Namens, der Stammburg des Geschlechtes. Dem Volksmund aber war der Name zu lang und zu umständlich. Er nannte die neue Trutzburg, die da so kratzlustig und sprungbereit auf der Bergnase saß, kurz und bündig “die Katz”. Die Grafen hatten den Namen mit Vergnügen übernommen und nannten sie ebenfalls so. Der Scherzname bildete zugleich eine humorvolle Anspielung auf die kurtrierische Burg über dem benachbarten Wellmich, die eigentlich Thurnberg hieß, aber von den Katzengrafen die “Maus” genannt wurde, ein Spitzname, der sich so eingebürgert hat, daß man einen andern überhaupt nicht mehr kennt. “Die Katz wird das Mäuschen schon fangen!” erklärten die übermütigen Grafen und sangen beim Becherlupf unter dröhnendem Lachen ein Spottlied:
Da kam der Bischof Bohemund
Bi -Ba – Bohemund
Mit seinem Troß zum Rhein.
Sie gruben sich ein Mauseloch,
Darin der Bischof sich verkroch –
Die Katz, die Katz, die Katze hört er schrein:
Miau – miau !
O armes Mi – Ma – Mäuselein !
Bald packt sie dich, bald hackt sie dich,
Bald zwickt sie, zweckt sie, zwackt sie dich
In deinem eignen Häuselein!Und legt er in sein Flohnest sich,
Fli – Fla – Flohnest sich,
Juckt’s ihn an Arm und Bein.
Es jammern die Canonici:
Errett o Herr, uns von dem Vieh !
Die Katz, die Katz, die Katze hör’n sie schrein:
Miau – Miau!
O armes Mi – Ma –
Mäuselein !
Bald packt sie dich, bald hackt sie dich,
Bald zwickt sie, zweckt sie, zwackt sie dich
In deinem eignen Häuselein !
( Aus Jörg Ritzel: “Trutz-Katz”)
Daß den frohlebigen Herren auf Rheinfels und Katz die trierische Bischofsburg, die man ihnen als Grenzschnüfflerin just vor die Nase gesetzt hatte, und in der es so fromm und miesepetrig zuging, ein Dorn im Auge war, kann man ihnen nachfühlen. Aber mochten beide sich auch gegenseitig weidlich necken, die Drohung, die Maus zum Frühstück zu verzehren, hat die Katz doch nicht ausgeführt. Sie haben bis zu ihrem Ende friedlich nebeneinander gehaust.
Man rühmt den Katzenelnbogenern nach, sie seien die besten Burgenbaumeister ihrer Zeit gewesen. Die neue stolze Rheinburg über St. Goarshausen ‚ die zugleich die letzte Katzenelnbogener Burg bildete, legte davon ein beredtes Zeugnis ab. In der Tat, es ist bewundernswert, mit welchem Geschick sie es fertigbrachten, auf der engen Bergnase über unserm Städtchen eine solch wohldurchdachte, sturmfeste und dabei bauliche schöne Wehrburg zu errichten.
Es wäre natürlich verfehlt, anzunehmen, nur die landschaftliche Schönheit habe sie dazu bewogen, diese Stelle zu wählen. Diese mittelalterlichen Feudalherren, auch wenn sie nicht zu der edlen Zunft der Raubritter gehörten, waren keine Romantiker, sondern geschickte Kriegsleute und kluge Politiker, denen es darum ging, in den zunehmenden Wirren der Zeit, wo die Menschen wie die Wölfe aufeinander lauerten, ihre gefährdete Stellung zu wahren, aber auch ihre Zolleinnahmen zu sichern. Und gerade St. Goarshausen als Ausgangspunkt zweier Täler und Übersetzstellen für die Besatzung der Feste Rheinfels, wie auch als Zollstelle, war für sie von großer Wichtigkeit.
Maßgebend war vor allem der Gedanke, auf der rechten Seite einen strategischen Stützpunkt für Rheinfels zu haben, das nur einen beschränkten Überblick über den gewundenen Strom gestattet, während man von der Katz aus sofort jedes Schiff sichten und ankündigen konnte, das um die Loreleyecke bog. So bildeten beide Burgen vereint eine Stromsperre, die den ganzen Rhein abriegeln konnte und daher nicht nur in Kriegszeiten, sondern auch für die Erhebung des Rheinzolls von großer Bedeutung war.
Daß Graf Johann III. die Katz schon zehn Jahre vor seinem Regierungsantritt erbaut hat, wird vielfach dahin ausgelegt, er habe sie zum vorläufigen Wohnsitz ausersehen gehabt. Uns wollen aber die oben genannten Gründe stichhaltiger erscheinen, zumal Graf Johann meist auf einem Schloß zu Darmstadt Hof hielt. Festungsmäßig war die Burg Katz außerordentlich geschickt angelegt. Der vorspringende steile abfallende Bergrücken, von dem sie allein zugängig war, hatte auf der einen Seite den breiten Rheinstrom und der andern das tief eingeschnittene Bachtal. Talseits war der Aufgang durch die Stadtbefestigung gesperrt, während gegen Osten auf der Höhe das mit Mauerwall umgebene Dorf Bornich starken Schutz gegen einen von dieser Seite versuchten Angriff bot. So lange es keine Feuerwaffen gab, war die Burg sozusagen uneinnehmbar.
Welch eindrucksvolle Gestalt die Katz mit ihren schlanken Ecktürmchen und dem großartigen, hohen, mit Spitzdach und Erkern gekrönten runden Wartturm hatte, ersehen wir aus den prächtigen Aufnahmen, die später der Kartograph Wilhelm Dilich im Auftrag des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel im Jahre 1607 gefertigt hat. Aus den eigenen Berichten Dilichs erfahren wir, wie mühevoll und zeitraubend diese kartographische Arbeit war. Nebenbei kostete sie allerhand Geld, wenn man den Durst berücksichtigt der in der damaligen Zeit eine nicht geringe Rolle spielte. So kann man verstehen, daß es dem sparsamen Landgrafen nicht wenig Bauchgrimmen verursachte, als Dilich ihm vorrechnete daß seine Verzehrkosten bei den Aufnahmen von Rheinfels und Katz nicht weniger als 251 Gulden und 4 1/2 Albus, nebst 3 Ohm und 13 1/2 Viertel Wein betrugen. Jedenfalls dürfen wir uns freuen, daß wir diese prächtigen Burgaufnahmen, die eigentlich nur für den Landgrafen persönlich angefertigt waren, besitzen und uns auf diese Weise ein klares Bild von jenen malerischen Bauten machen können. Eine kurzgefaßte Schilderung von der alten Katz, so wie wir sie aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg kennen, möge hier folgen.
Die Gesamtanlage der Burg war, unter geschicktester Ausnutzung des schmalen felsigen Geländes, von großer Einfachheit und Übersichtlichkeit. Wo die Burg mit dem höherstrebenden Katzenberg zusammenhing, also auf der Angriffsseite, war ein tiefer Halsgraben aus den Felsen gehauen, über den eine steinerne Bogenbrücke führte, die im Kriegsfalle gesprengt werden konnte. Als Schutz und Deckung und zugleich als Kernpunkt der ganzen Burg stand hier der heute noch zum Teil bestehende mächtige runde Bergfried (Wartturm) an den sich beiderseitig die mit Wehrgängen versehenen Schild- und Mantelmauern anschlossen. Der ursprünglich 60 Meter hohe Bergfried hatte sechs Geschosse, von denen das mit achtkappigem Gewölbe überdeckte Erdgeschoß- das Verlies- vom Burghof aus zugänglich war, während die übrigen, mit Balkendecken versehenen Stockwerke des Turms durch eine in der Mauerdicke angebrachte Wendeltreppe miteinander verbunden waren. Für den Ernstfall waren die oberen Räume bewohnbar eingerichtet und mit Kamin versehen, während das von einer achteckigen Wand umschlossene und mit Ausguck-Erkern geschmückte spitze Dachgeschoß des Turms als Wachtraum für den Turmwärter diente.
Alle Anordnungen lassen erkennen, daß der Schwerpunkt der Verteidigung in den Hauptturm verlegt war und daß die Möglichkeit einer raschen Verbindung zwischen diesem und den übrigen Wohn- und Wehrbauten der Burg gegeben sein mußte. Dem Rhein und Forstbach zugewendet, also vor den sturmfreien Abhängen des Felsengrates, stand der wohlbefestigte Wohnbau (Palas), dessen Grundform ein unregelmäßiges Fünfeck bildete. Dieser Bau war ebenfalls aus starken Mauern hergestellt und in die ganze Befestigungsanlage einbezogen, wobei der Erbauer der Burg neben der Zweckmäßigkeit auch eine gewisse Schönheit der Form nicht außer acht gelassen hatte. Es drückt sich dies in der Gestaltung der drei schmucken runden Ecktürme aus, die die dem Rhein zugewendeten Seiten des Palas umfassen.
Der Wohnbau hatte drei Stockwerke, die außer der im Erdgeschoß befindlichen Burggrafenstube zwei prächtige Säle nebst einer Reihe wohnlicher Kemenaten und Kammern aufwies und in den Nischen der vorspringenden Rundtürme gemütliche Sitzplätze mit wunderbarem Blick auf Strom und Stadt enthielt. Von den Sälen aus konnte man im Falle der Gefahr auf dem Wehrgang nach dem schützenden Hauptturm, sowie nach den übrigen Teilen der Burg gelangen. Unter dem Wohnbau befand sich der von rundbogigen Kreuzgewölben überdeckte Burgkeller. Das vor dem Palas nach dem Tal hin sich vorschiebende tiefer gelegene Dreieck war an seiner Spitze durch, eine Bastion mit starkem Rundturm geschützt.
Zwischen Wartturm und Wohnbau lag der an drei Seiten von Schildmauern umschlossene malerische Burghof, der durch allerhand Einbauten wie Küche, Backhaus und Treppe zum Obergeschoß des Wohnhauses reichlich eingeengt war. In seiner Mitte befand sich der in den Fels gehauene tiefe Burgbrunnen mit einem hölzernen Schutzhäuschen darüber. Der alte Dielheim rühmt in seinem “Rheinischen Antiquarius” das “gute Wasser”, das dieser Brunnen hatte.
Der Hauptzugangsweg zur Katz für Reittiere und Geschützbeförderung – er besteht heute noch als Waldweg – führte über die Höhe des Hühnerbergs, senkte sich dann durch das Gehölz den Talabhang entlang, überschritt die steinerne Halsgrabenbrücke und mündete zwischen Wartturm und Mantelmauer durch das äußere Burgtor in den langgestreckten Zwinger, von wo eine steile Schiefertreppe nach dem höher gelegenen inneren Burgtor und dem Burghof mit dem Palas führte.
Der heutige Fahrweg vom Forstbachtal herauf ist erst 1897 von Landrat Berg angelegt worden. Ein zweiter Weg – er ist ebenfalls noch erhalten – war ein schmaler Fußpfad‚ der von St. Goarshausen aus am Forstbachtor im Zickzack nach dem schmalen Mauerpförtchen hinaufführt, das noch heute den Zugang zur Burg vermittelt. Der Fußpfad diente der schnelleren Verbindung mit dem Tal im Frieden und Krieg. Auf ihm wurden die Verpflegungsmittel für die Besatzung der Katz hinaufgeschafft. Ihn sind auch die Burgmannen gewandert, wenn sie ihre verräucherten Bastionen verließen, um in St. Goarshausen einen Schoppen zu schmettern, denn der Verkehr zwischen “oben und unten” war sehr rege, zumal man sich in Friedenszeiten oben redlich langweilte. Daß sich dabei auch manche zärtlichen Liebschaften anspannen, beweisen die Geburtseintragungen in den alten St. Goarshäuser Kirchenbüchern. Über dem äußeren Torbau der Katz lag die kleine Burgkapelle, die ebenfalls mit Wehrgang und Schießlöchern versehen war, so daß sie im Ernstfalle eine wirksame Bestreichung des Burgweges ermöglichte.
Auch einen kleinen Vorgarten – man nannte es das “Würzgärtlein” – hatte die Burg. Es lag nach der Bergseite hin vor dem Wartturm, geriet aber später in Verfall. Aus ihm stammen die duftreichen gelben Violen – “Gelbveiglein” hießen sie früher -, die sich im Laufe der Jahre durch Selbstbesamung über die auf der Rheinseite liegenden Felsen verbreitet haben und noch heute im Frühling den Katzenberg mit einem leuchtenden Blütenmantel schmücken. Sie sind gewissermaßen der letzte lebendige Gruß aus alter Zeit.
Mit dem Ort St. Goarshausen war die Katz durch eine Ringmauer verbunden, die im Westen sich den Berg herunter nach dem Forstbachtor hinzog, während der östliche Teil unter Benutzung des Berggrates die Stadtmauer beim oberen Tor am viereckigen Turm erreichte. Das ganze bildete ein Dreieck, auf dessen höchster Spitze die Katz als Wächterin thronte.
Es gibt schwärmerische Naturen – und wer wäre es nicht in seiner Jugend gewesen? – ‚ die sich unter einer Burg eine glanzvolle mittelalterliche Stätte vorstellen, wo gepanzerte Ritter aus- und einritten, wo die Humpen geschwungen wurden, daß die Tische krachten, wo Sänger und fröhliche Vaganten unterm Hornstoß des Turmwächters Einfahrt hielten und minnigliche Frauen den Gästen den Becher kredenzten oder mit dem Falken auf der Hand zur Reiherbeize zogen. Gewiß, – es hat solche Rittersitze in deutschen Landen zur Genüge gegeben. Man denke nur an die Wartburg und an Heidelberg. Auch der Rheinfels gehörte eine zeitlang dazu. Bei der Katz aber würden diese schönen Vorstellungen im allgemeinen nicht zutreffen. Sie war in der Hauptsache als Wehrburg gedacht, die nur vorübergehend von den Landesherren bewohnt wurde, da das Schloß Rheinfels drüben für sie bequemer war. Hielten sie aber Einzug mit ihrem Gefolge, dann sah die Katz festliche Tage. Dann bogen sich im Rittersaal die Tische unter der Last der Schüsseln mit selbsterlegtem Wildbret und die Humpen kreisten unter Gesang und Lautenklang bis in die Nacht hinein. Sonst aber waren es nur rauhe Kriegsgesellen, die dort hausten. “Minnigliche Frauen” sah man nur selten. Nur in Kriegszeiten hat manches adelige Fräulein aus der Umgebung dort seine Zuflucht gefunden, und manches zarte Band dürfte sich angesponnen haben.
Quelle: Chronik von Jörg Ritzel
Mit freundlicher Unterstützung des Stadtarchivs St. Goarshausen.