AB 1756

AB 1756

Darüber kam der Siebenjährige Krieg, in dem es der Katz beschieden war, noch einmal – leider zum letzten Mal – rühmliche Lorbeeren zu ernten. Durch plötzliche Überrumpelung war es den Franzosen gelungen, sich im Dezember 1758 in den Besitz von St. Goar und Rheinfels zu setzen. In die Übergabebedingungen, die der hessen-kasselsche Kommandant allzu rasch unterschrieb, war auch die Katz mit eingeschlossen. Der Verteidiger der Katz jedoch, Hauptmann von Ende, weigerte sich standhaft, die Waffenstreckung anzuerkennen und beharrte auf seinem Posten. Trotz der schwachen Besatzung verteidigte er sich heldenhaft noch drei Tage gegen die französische Übermacht. Erst als der geringe Pulvervorrat zu Ende war, verließ er nachts die Katz und bewahrte so sich und seine 40 Soldaten vor der Gefangenschaft. Der Prinz von Soubise, dem noch die schwere Schlappe von Roßbach in den Knochen lag, soll über diese deutsche Hartnäckigkeit wenig rosiger Laune gewesen sein.

Gerne hätten die Franzosen sich in dieser schönen Gegend, wo es ihnen so gut gefiel, dauernd eingenistet, wenn nicht der Hubertusburger Frieden dem siebenjährigen Krieg ein Ende gemacht hätte.

Doch die schlimmsten Jahre standen unserer Heimat noch bevor. Es schien, als ob mit dem Schlag von 1758 das Kriegsglück sich von den beiden Burgen abgewandt hätte. Das deutsche Reich war morsch und brüchig geworden und der Geist der Kleinstaaterei lag wie ein lähmender Alb über Land und Volk. Das Fürstentum hatte abgewirtschaftet. Eine neue Zeit hielt ihren Einzug, deren Stürme die dürre deutsche Eiche nicht mehr standhielt. Als die französische Revolutionswelle über die rheinischen Lande brauste, da hatte auch für die Bruderburgen Katz und Rheinfels das Sterbestündlein geschlagen. Die Tragik war umso größer, als der Untergang beider völlig ruhmlos war, weil es ihnen an der geeigneten Führung fehlte. Denn sie waren – wenigstens die Feste Rheinfels – nicht nur wehrhaft ausgebaut, sondern auch mit genügender Truppenbesatzung und mit reichlichen Schieß- und Mundvorräten versehen. Aber der Heldengeist des Generals Götz war nicht mehr. Auf Rheinfels befehligte ein 77-jähriger Greis, der Kasseler Generalmajor Philipp Valentin von Resius, der schon beim Anblick der ersten Sansculotten erblaßte und den man besser in einen gewärmten Lehnstuhl gesetzt hätte, als ihm die Wacht am Rhein anzuvertrauen.

Im Gegensatz zu Rheinfels hatte die Katz eine schwache Besatzung von nur 50 Mann unter Kapitän von Ende. Ihre Bestückung bestand in 1 Sechszehnpfünder, 1 Zwölfpfünder, 2 Vierundzwanzigpfünder, 2 Sechspfünder, 4 Amüsetten, 198 Zentner Pulver und 38.000 Musketenpatronen. Außerdem standen 3 Batterien mit je 6 Kanonen auf dem Nocherner-, dem Hirschel- und dem Patersberg, diese unter dem Oberbefehl des Generalmajors von Lempe, der seine Unterkunft in Patersberg hatte.

Man sieht, beide Burgen waren in vortrefflichem Verteidigungszustand. Aber das Verhängnis, verkörpert in dem unfähigen Tattergreis Resius, nahm 1794 seinen Lauf. Wir haben darüber im geschichtlichen Teil ausführlich berichtet. Es genüge, zu wiederholen, daß Resius, ohne jede Gegenwehr und ohne das versprochene Ersatzheer abzuwarten, am 1. November 1794 mit Offizieren und Besatzung die Burg Rheinfels bei Nacht und Nebel Hals über Kopf verließ und sich nach dem diesseitigen Ufer rettete, von wo er über Patersberg nach Kassel weitermarschierte. Der Besatzung der Katz, sich selber überlassen, blieb nichts anderes übrig, als sich dem Rückzug anzuschließen. Zwei Jahre später, 1796, wurde Rheinfels von den Franzosen in die Luft gesprengt. Die alte Wacht am Rhein, die fünf Jahrhunderte hindurch das deutsche Land gegen die gallischen Raubgelüste heldenhaft geschützt hatte, war nicht mehr. Sie war ruhmlos untergegangen, ein Opfer des Kleinmuts und der welschen Raubgier.

Die Katz blieb vorläufig bestehen. Durch die Abneigung des linken Rheinufers seitens der Franzosen war die jahrhundert-alte, durch das Herrscherhaus bestehende Verbindung der Schwesterstädtchen St. Goar und St. Goarshausen zerrissen. St. Goarshausen und Katz waren Ausland” geworden. Letztere verblieb vorläufig beim Hause Hessen-Kassel, das noch verschiedene Ausbesserungen an ihr vornehmen ließ. So weisen die Akten von 1800 eine Reihe von Rechnungen einheimischer Handwerker auf. Danach hatten Forderungen:

1. Glasermeister Werner86 Gulden20 Kreuzer
2. Leyendecker Blum32 Gulden28 Kreuzer
3. Schreinermeister Schmidt45 Gulden42 Kreuzer
4. Maurermeister Michel85 Gulden1 Kreuzer
5. Schlosser Andres19 Gulden6 Kreuzer
6. Schlosser Hartmann40 Kreuzer
7. Breier für Bord43 Gulden42 Kreuzer
8. Wappner für Nägel6 Gulden18 Kreuzer
zusammen319 Gulden17 Kreuzer

Aber all das konnte das Schicksal der Katz nicht aufhalten. Ihre Rolle war ausgespielt. Damit sie nicht ganz verkam, hatte man als Wache ein paar lahme hessische Invaliden hineingelegt.

Die alten Schnauzbärte saßen vorn im Burgstübchen, klopften Karten und qualmten dazu aus tönernden Pfeifen ihren Knaster, oder stelzten nach St. Goarshausen herunter, um einen zu “heben” und von ihren gewaltigen Heldentaten zu erzählen, an die aber niemand mehr glaubte. Es gab jedesmal ein großes Hohngelächter, wenn sie prahlten:
“So lang mir owwe sin, wird die Katz jeden Franzos fresse !” Die da lachten, behielten recht, zwar waren der Katz noch ein paar ruhige Lebensjahre beschieden, aber inzwischen war Napoleon auf den Plan getreten. Als dieser nach der Schlacht von Jena 1806 am jenseitigen Ufer den Rhein hinunterfuhr und das “Vive l’empereur!” zur Katz hinaufschallte, da wollten die biederen alten Schnauzbärte als gediente Krieger nicht zurückstehen und knallten als Huldigung ein paar kräftige Böllerschüsse ab. Es war ihre letzte artilleristische Leistung. Der durch das Scheuwerden der Pferde verärgerte Kaiser sah mit Erstaunen, daß da oben noch ein unversehrtes Bollwerk thronte. Das vertrug sich nicht mit dem korsischen Stolz. “Das Nest muß herunter !” befahl er. Ein Kapitän mit einer Abteilung Soldaten wurden mit der “Operation” betraut. Pulverfässer wurden hinaufgeschafft und es dauerte nicht lange, so flog die Burg unter gewaltigem Getöse in die Luft, das ganze Gelände umher mit Schutt und Steinen bis zwanzig Fuß hoch bedeckend.

Zum Glück war die Zerstörung nicht so vollständig, wie die des Rheinfels. Ein Teil des hohen Wartturms sowie die Umfassungsmauern mit dem Rest der Ecktürmchen und zwei kleine Turmstuben nach dem Rhein hin blieben stehen. Der Wohnbau mit Keller und Brunnen dagegen war verschüttet. Es war das ruhmlose Ende der stolzen Feste, die über vier Jahrhunderte lang den Stürmen der Zeit getrotzt hatte.

Quelle: Chronik von Jörg Ritzel

Mit freundlicher Unterstützung des Stadtarchivs St. Goarshausen.